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24. April 2025

30 Jahre ACstyria: „In Nischen positionieren und globales Leadership übernehmen“

30 Jahre ACstyria - eine Geschichte von Herausforderung, Umbruch, Neuerfindung und Triumph. Aktuell schreiben wir ein neues Kapitel des Wandels. Geschäftsführerin Christa Zengerer und "Geburtshelfer" Gerd Holzschlag sprechen über die Dynamik der Branche und mutige Schritte der Transformation.

Dass die Steiermark die Kunst der Transformation beherrscht, illustriert nichts mehr als die Gründung des ACstyria im Jahr 1995: Es war die Antwort auf eine herausfordernde Situation am Markt und für die (ober)steirische Industrie. Die Initiative zur strategischen Vernetzung von Leitbetrieben, KMU, der öffentlichen Hand und weiteren Stakeholdern wurde rasch zum Vorbild für viele europäische Regionen. Mit seiner Weiterentwicklung zum Mobilitätscluster im Jahr 2017 und der damit verbundenen Veränderung der Gesellschafterstruktur (u.a. mit der voestalpine) hat der Cluster seine Transformationsfähigkeit erneut unter Beweis gestellt.

Resilienz ist die Schlüsselkompetenz der Krise und fest verankert in der DNA des Mobilitätsclusters. Mit diesem Mindset, einer starken Vision und engagierten Partnern wird der ACstyria Mobilitätscluster die Zukunft der Mobilität entlang definierter Zukunftsfelder aktiv mitgestalten.

Gerd Holzschlag war Projektleiter des Gründungsteams in den 90ern, Christa Zengerer führt die Geschäfte des Clusters im nunmehr fünften Jahr. Als ExpertInnen erinnern sie sich an die Anfänge, analysieren Stärken und Ressourcen am Standort, erklären Strategien des Wandels und teilen ihre Vision darüber, wie Transformation gelingt.

Christa Zengerer

Christa Zengerer

Geschäftsführerin ACstyria Mobilitätscluster in den Jahren 2018- 2022 sowie seit Juli 2024

… über den USP des Clusters
Der ACstyria Mobilitätscluster zeichnet sich nicht nur durch seine frühe Gründung im Jahr 1995 – zu einer Zeit, als sich die Automobilindustrie in einer tiefgreifenden Umbruchphase befand – aus, sondern insbesondere durch seine außergewöhnlich starken, branchenübergreifenden Synergien. Es gibt keinen zweiten Cluster, der Mobilität in ihrer Gesamtheit – von Automotive über Aerospace bis hin zu Rail Systems – so konsequent denkt und weiterentwickelt. Neue Entwicklungen in Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz fördern diese sektorübergreifende Themenfelder zunehmend.

… strategische Wachstumsfelder
Die strategischen Themenfelder des Clusters definieren auch heute die Leitlinien der steirischen Mobilitätindustrie in Richtung Zukunft. Besonders im Bereich der Antriebstechnologien zeigt sich dieser Weg deutlich: Aufbauend auf einem starken Know-how im Bereich konventioneller Verbrennungsmotoren verfügen die Unternehmen und Institutionen im Netzwerk heute zusätzlich über umfassende Kompetenzen in den Feldern Elektromobilität, Batterietechnologie, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Letztere werden speziell für den Luftfahrtbereich eine zentrale Rolle spielen, da die Elektrifizierung bei Großflugzeugen gegenwärtig an technische Grenzen stößt.

Ein weiteres zukunftsweisendes Themenfeld liegt im Bereich Werkstoffe und Produktionstechnologien. Leichtbau – ob Metall, Holz oder Hybridmaterialien – stellt ein zentrales Innovationsfeld dar, das in der Steiermark bereits seit Jahren intensiv verfolgt wird. Dies umfasst nicht nur Materialauswahl und Produktdesign, sondern auch Recycling und Kreislaufwirtschaft. Ergänzt wird dies u.a. durch Querschnittsthemen wie Digitalisierung, digitale Geschäftsmodelle, KI oder automatisierte Systeme.

… die Positionierung gegenüber dem asiatischen Markt
Mit der zunehmenden Marktdynamik aus Asien, insbesondere aus China und Indien, sehen wir uns einem gestärkten internationalen Wettbewerb gegenüber. Über viele Jahre war China für uns ein attraktiver Absatzmarkt für unsere Technologien – ein Markt, in dem unzählige Erfolge verbuchen konnten. Mittlerweile haben diese Länder allerdings Know-how aufgebaut und sich vom Absatzmarkt zum Marktbegleiter entwickelt. Diese Entwicklung sollte uns dazu motivieren, selbstbewusster aufzutreten und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fordern, etwa durch standortgebundene Wertschöpfung bei ausländischen Betriebsansiedlungen. Es spricht nichts dagegen, bewährte internationale Modelle auf den heimischen Standort zu übertragen.

… Herausforderungen für KMU
Rund 60 Prozent der Mitgliedsbetriebe des Clusters sind kleine und mittlere Unternehmen – vielfach hochspezialisierte Zulieferbetriebe. Durch steigende Personal- und Energiekosten sowie überbordende Bürokratie entstehen aber nicht nur für unsere KMU, sondern für die gesamte europäische Industrie Wettbewerbsnachteile.

… und die Einbindung von Startups
Die Innovationskraft junger Unternehmen ist ein wesentlicher Impulsgeber für die Mobilitätsbranche. Der ACstyria unterstützt Startups durch ein umfassenden Mentoring-Programm. Dabei werden ausgewählte Startups über ein Jahr hinweg begleitet und systematisch mit potenziellen Partnern vernetzt – mit dem Ziel, langfristige strategische Kooperationen zu fördern.

… über Optimismus in der Branche
Die steirische Mobilitätsbranche steht für Innovation durch Kooperation. Trotz globaler Umbrüche und dynamischer Veränderungen blicken wir mit Zuversicht nach vorne. Unsere Region vereint technologische Exzellenz, engagierte Unternehmen und Institutionen und ein starkes Netzwerk – beste Voraussetzungen, um die Mobilität von morgen aktiv mitzugestalten.

Die steirischen Cluster auf einen Blick

Portrait Gerd Holzschlag

Gerd Holzschlag

SFG-Verantwortlicher für Wirtschaftsentwicklung & Innovationsinfrastruktur, ehemaliger SFG-Projektleiter im Gründungsprozess des ACstyria

… zur historischen Ausgangslage
In den Nachwehen der Verstaatlichten-Krise stand die Steiermark, insbesondere die Region Obersteiermark, vor der Frage, wie die Erneuerung der alten Industrie voranzutreiben sei und welche wirtschaftlich tragfähigen Themen bzw. relevanten Akteure dazu beitragen könnten. Eine überparteiliche Denkplattform vieler unterschiedlicher Stakeholder, darunter SFG und Industriellenvereinigung, evaluierte Stärken und Schwächen des Standortes sowie potenzielle Rising Stars, also potenzielle künftige Stärkefelder. Wir waren rasch beim Themenfeld Mobilität, das wir im Sinne der Komplexitätsreduktion auf die Automobilindustrie fokussierten. Als europäische Leitindustrie trieb sie schon damals viele andere Sektoren.

… über den Weg zu Europas 1. Autocluster
Clusterbildung existierte damals nur als wirtschaftstheoretisches Modell nach Michael Porter von der Havard Business School. Wir besuchten europäische Musterregionen, die erfolgreiche Change-Prozesse durchliefen. Dan Jones, Wirtschaftswissenschafter der Universität in Cardiff, Wales, setzte die Initialzündung, als er sagte: „Vor allem theoretischen Hintergrund gilt eines: das Prinzip des Tuns. Probiert es aus, ihr habt nichts zu verlieren.” Parallel hatte Nordrhein-Westfahlen einen riesigen Transformationsprozess gestaltet, nämlich den Ruhrpott von der Kohle- und Stahlregion in eine mit Hightech besetzte Industriezone gewandelt. Gemeinsam mit dortigen Consultants haben wir Leitbetriebe, Wertschöpfungs- und Zulieferketten definiert und den Clusterbildungsprozess erarbeitet. Drei Jahre wurde das Projekt von der SFG getragen, bis schließlich das Public Private Partnership stand: eine GmbH mit den Kerngesellschaftern AVL, Magna (damals Steyer Daimler Puch bzw. Eurostar), TCM, Krenhof und SFG. Der Rest ist eine internationale Erfolgsgeschichte. Kernkompetenzen wie Motorenentwicklung, Antriebsstrangentwicklung und Allradtechnik brachten laufend Produktionsaufträge in die Steiermark, darunter eine Vielzahl an mittlerweile legendären Fahrzeugen wie die G-Klasse Mercedes.

… neue Denkweisen in der Standortpolitik
Neben den aktuellen geopolitischen Umbrüchen hat sich die Welt in den letzten drei, vier Jahren gerade im Hinblick auf den asiatischen Raum massiv verändert. Aktuell versuchen viele neue Anbieter, am europäischen Markt Fuß zu fassen. Und neue Marktmitteilnehmer aus Indien und China sind nicht gerade auf der Nudelsuppe dahergeschwommen. In dieser Dynamik braucht Europa Selbstbewusstsein im Wissen um die eigene Kompetenz, muss aber auch ein Stück weit herab vom hohen Ross: Ich halte eine Rekalibrierung des europäischen Blicks auf die Welt für durchaus angemessen. Im Idealfall beschleunigen die Entwicklungen eine adäquate Neupositionierung Europas.

… Zukunftsthemen der Mobilität
Es boomt die Mobilität auf der Schiene sowie im Bereich der Luft- und Raumfahrt; diese Sektoren tragen und treiben massiv. Das Mobilitätsverhalten der jüngeren Generation verändert sich signifikant, Stichwort „mobility as a service“. Auto, Schiene, Fahrrad, Roller – alles wird sehr gezielt eingesetzt. In urbanen Zentren entstehen vollkommen neue Mobilitätsformen wie Mikromobilität bzw. intermodale Konzepte und Sharing-Modelle. Die Digitalisierung bietet Raum für neue Anwendungsmöglichkeiten, Lösungen und Geschäftsmodelle. In diesem Transformationsprozess hat der Cluster eine gewisse Leuchtturmfunktion: Wohin entwickeln sich Märkte? Welche Trends sind für den Standort relevant? Und wie können wir wirtschaftlich davon profitieren?

… die Wirkung von Wahrnehmung
Der mediale Diskurs über einer Brache bewirkt etwas in den Köpfen der Menschen, beeinflusst die Wahrnehmung, das Selbstbewusstsein der betroffenen MitarbeiterInnen und die Sicht politischer Stakeholder. Und hier muss die Automobilindustrie aufpassen, dass sie nicht das Stimmungsbild “Wir reiten ein totes Pferd” aufnimmt, das die Medien derzeit leider so häufig zeichnen. Nein: Das Pferd ist nicht tot, es erfindet sich gerade neu.

… erfolgreiche Neupositionierung
Ich glaube an den österreichischen Weg, sich in Nischen zu positionieren und dort globale Leadership-Position einzunehmen. Das ist uns in der Vergangenheit gelungen, warum soll uns das nicht wieder gelingen? Dazu brauchen wir ein Mindset, das die Transformation nicht nur als düster, sondern im Gegenteil als voller Chancen begreift. Das dafür notwendige Innovationssystem existiert am Standort Steiermark! Wirtschaft ein dynamischer Prozess. Die Frage ist: Lass ich mich von der Welle überrollen oder surfe ich sie?