Blackshark.ai: Vom Spielentwickler zum Weltenbauer
„Stoked“ (zu Deutsch etwa: schwerst begeistert; Neudeutsch: total geflasht) hieß das Snowboarder-Game, mit dem sich Michael Putz und Team Mitte der Nullerjahre in den Olymp der Spiele-Entwickler katapultierten. „Wir wollten ein echt cooles Gamestudio aufbauen, auf internationalem Niveau. Österreich war ja nicht gerade ein Hot Spot in diesem Bereich,“ blickt Putz mit einem Augenzwinkern zurück. Das Startup „Bongfish“ brachte eine brandneue Simulationstechnologie auf den Markt, die erstmals in der Lage war, reale Landschaften nachzubauen. In „Stoked“ sprangen die User aus einem Helikopter auf Gipfel von Bergen und zogen ihre Bahnen auf wirklich existierenden Hängen ins Tal. Bis dato waren PC-Spiele – nicht zuletzt durch die Rechnerleistung beschränkt – vorwiegend in Indoor-Szenarien oder sehr schlicht stilisierten Umgebungen eingebettet. Bongfish ermöglichte ein völlig neues Gaming-Gefühl und erregte damit Aufmerksamkeit in der internationalen Community.
Die ganze Welt in 72 Stunden
Die Innovation legte den Grundstein zu einer mustergültigen Unternehmensgeschichte. „Im Jahr 2017 trat Microsoft an uns heran und wollte mit uns eine authentische digitale 3D-Abbildung unseres Planeten entwickeln.“ (Anm.: Digitale Erdkarten bestanden damals aus 2D-Bildern auf einer Kugel, man hatte also nur flache Satellitenbilder als Ausgangsbasis.). Putz und sein Team nahmen die Herausforderung an und hatten ihr Ziel zwei Jahre später erreicht: Es gelang ihnen, die gesamte Erdoberfläche mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) in 72 Stunden dreidimensional zu rekonstruieren. Den enormen Rechenaufwand bewältigten insgesamt 500 cloudbasierte Computer parallel. Ergebnis: mehr als 1,5 Milliarden Gebäude und mehr als 30 Millionen Quadratkilometer Vegetation, errechnet bzw. skaliert aus Satellitenbildern, Luft- und Straßenaufnahmen.
US-High-Performer als Partner
2020 verortete man die Expertise in der Blackshark.ai GmbH, einem Spin-off des Spielentwicklers. 30 KI-Spezialisten wechselten von Bongfish ins neue gegründete Unternehmen. Die Grazer schlossen eine Kooperation mit NVIDIA, einem der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für PCs, Server und Spielkonsolen in Kalifornien. Gemeinsam arbeitete man an Simulationsumgebungen für das Testen autonomer Fahrzeuge. Herzstück des Projekts war ebenso ein „digitaler Zwilling“, also eine virtuelle 3D-Umgebung als Alternative zur echten Welt. Hintergrund: Autonome Fahrsysteme müssen extremen Belastungssituationen standhalten und Tests in Grenzbereichen positiv absolvieren. Teststrecken können die Szenarien bei weitem nicht abdecken, für den Straßenverkehr sind derartige Testreihen nicht zugelassen, weil viel zu gefährlich. Die Entwickler bedienen sich deshalb einer „Virtual Sensor Simulation“, um die Forschung voranzutreiben.
20 Millionen
„Wir investieren in unseren Entwicklungsstandort in Graz und erweitern den Salesbereich in den USA."Michael Putz, blackshark.ai
Auch in den Headquarters des traditionell cloud-affinen Unternehmens Microsoft machte die Leistung bereits Ende des letzten Jahrzehnts der Steirer Furore: „CEO Satya Nadella hat uns persönlich kontaktiert, weil ihn unsere Technologie interessierte.“ Und so kam die Technologie nicht nur im „Microsoft Flight Simulator“ zum Einsatz, sondern gab wohl auch den Anstoß zu einem 20-Millionen-Dollar-Investment des US-Giganten Ende 2021. Putz: „Wir investieren in unseren Entwicklungsstandort in Graz und erweitern den Salesbereich in den USA.“ Marktpotenzial sieht der KI-Spezialist in den Bereichen Geospatial und Smart City über autonomes Fahren bzw. Fliegen bis hin zu Government und Versicherungen. „Im kommenden Jahr wollen wir über unsere „Digital Twin“- Plattform in jedem dieser Märkte angekommen sein.“ Er verdeutlicht den USP: „Im Gegensatz zum nicht maschinenlesbaren Google Maps etwa kann unsere Plattform Petabytes von Satellitendaten nahezu in Echtzeit verarbeiten und exakte Informationen wie Gebäudegrundrisse, Bauhöhen, Landnutzung, Gewässer oder Infrastruktur wie Straßen oder Bahngleise herauslesen.“
„Nicht nur schön“
Brian McClendon, Mitbegründer von Google Earth, gehört übrigens zum Beratergremium von Blackshark.ai – und offensichtlich auch zu den Fans. „Diese 3D-Umgebungen sind nicht nur schön anzusehen, sondern können dank der Verfügbarkeit semantischer Informationen abgefragt, durchsucht, schnell aktualisiert und für Simulationszwecke im Handumdrehen verändert werden. Das ist ungeheuer leistungsfähig und hebt das (Blackshark.ai-)Produkt wirklich von allem anderen ab, was ich bisher gesehen habe“, zitiert ihn die österreichische Gründerplattfom „Brutkasten„.
Sigrid Gaisch-Faustmann