Digitale DNA für BMW aus der Steiermark
Smarte Fahrassistenzsysteme, Infotainment und vernetzte Mobilität: Software-Applikationen machen das Fahrzeug zunehmend zum rollenden Rechenzentrum. Bis zu 100 Millionen Zeilen Software-Code stecken inzwischen in einem durchschnittlichen Fahrzeug – zehnmal mehr als noch vor einem Jahrzehnt. Das Auto ist nicht mehr nur eine Konstruktion aus Keilriemen, Kolben und Schmieröl – zentraler Bestandteil des modernen vierrädrigen Untersatzes sind reichlich Bits und Bytes. Die Grundlage, um diese IT-Bausteine zusammen zu setzen, entsteht in der Steiermark: In Premstätten bei Graz, Software- und Technologiezentrale der internationalen Managementberatung BearingPoint, verantworten mittlerweile heimische Ingenieure den Betrieb der Entwicklungsumgebung, auf der die Automotive-Software von Fahrzeugen der BMW Group entwickelt wird. „Wir stellen den Entwicklern grundlegende Programmierwerkzeuge und Programmbibliotheken in unserer Entwicklungsumgebung zur Verfügung und unterstützen diese in den Softwareprozessen. Tausende Experten, die weltweit Automotive-Software auf unserer Plattform entwickeln, beanspruchen diese Services“, erklärt Markus Seme, Geschäftsführer von BearingPoint am 200-köpfigen Standort in Premstätten. So entsteht etwa die Software für zentrale Integrations-Steuergeräte, also größere, viele Fahrzeugfunktionen abdeckende Module, auf der von BearingPoint betreuten Plattform: „Unsere Entwicklungsumgebung ermöglicht – in weiteren Schritten – Applikationen für die Infotainment-Software, die über verschiedene Displays im Fahrzeuginnenraum sichtbar sind, oder Funktionen für das automatisierte Fahren“, betont Seme. Bereits seit 2019 ist BearingPoint zentraler Ansprechpartner der Entwicklungsumgebung für den Automobilisten, ein Ende ist nicht in Sicht – zuletzt wäre auf das technologische Know-how sogar noch stärker von BMW zugegriffen worden, erklärt Seme.
120.000 Codesegmente pro Tag
Soviel sei aber verraten: Neben der funktionalen Weiterentwicklung Standort von BearingPoint in der Steiermark ebenso für Wartung und Instandhaltung der Plattform verantwortlich. Auch die Gestaltung der Entwicklungsprozesse sowie das technologische Training der Softwareentwickler wird vom IT-Unternehmen unterstützt. Nur als Anhaltspunkt: Rund 120.000 Codesegmente, die automatisch qualitätsgesichert und in ausführbare Software übersetzt werden, verarbeitet die Plattform täglich. Dass die BMW Group BearingPoint in Premstätten das Vertrauen schenkt, führt Andreas Joham – er steht der zuständigen BearingPoint-Abteilung „Plattform Services“ – vor, „auf die zielgerichtete Herangehensweise und das wechselseitig zukunftsorientierte, agile Technologie-Mindset“ zurück.
„Bootcamp“ sorgt für MitarbeiterInnen
Die Kooperation zwischen dem Automobilisten und BearingPoint hat auch positive Auswirkungen auf die Mitarbeiterzahl am Standort: „Wir haben mit zehn Mitarbeitern im Projekt begonnen, mittlerweile sind es 30. Wir können davon ausgehen, dass das Mitarbeiterwachstum in den kommenden Jahren auf einem ähnlich hohen Niveau bleibt“, prognostiziert Geschäftsführer Seme. Auch aktuell werden weitere 20 Techniker – etwa Datenwissenschaftler, Software-Entwickler und Support-Ingenieure – für das Projekt gesucht. BearingPoint selbst verlässt sich dabei nicht nur auf den – aufgrund des Fachkräftemangels – ohnehin angespannten Arbeitsmarkt, sondern hat mit dem „IT Boot Camp“ auch ein eigenes Format ins Leben gerufen, um selbst Softwareentwickler auszubilden. Anfang des Monats hat die dritte Ausgabe des für die Teilnehmer bezahlten, dreimonatigen IT-Intensivkurses für Quereinsteiger begonnen: „Mittlerweile haben wir über 20 Personen – darunter etwa ein Geologe, eine Palliativkrankenschwester oder eine Einzelhandelskauffrau – zu sogenannten Dev-Ops-Ingenieuren ausgebildet. Diese sind unter anderem in der Lage, Softwarefunktionalitäten anzupassen bzw. zu validieren“, erklärt Seme. Dieses Fachpersonal wird es künftig dringend brauchen, sind Seme und Joham unisono überzeugt – insbesondere im Hinblick auf die Vorhaben mit BMW: „Die Software ist maßgeblich, um Differenzierungsmerkmale für Automobilhersteller zu schaffen. Dabei stehen wir erst am Anfang des verstärkten Einzugs von digitalen Elementen in das Fahrzeug. Diese wird in den nächsten Jahren noch weiter an Bedeutung gewinnen.“