Herr Stralz, reden wir über Holz. Es ist einer der ältesten Werkstoffe, den die Menschheit benutzt. Jahrtausendelang war es weder als Baumaterial, noch als Brennstoff verzichtbar. Wofür wird es heute eingesetzt?
Im Wesentlichen für dasselbe und für mehr davon. Wir haben in den vergangenen 10 bis 20 Jahren eine steigende Nachfrage im Zuge der Klima- und Ressourcenwende und damit eine echte Renaissance des Werkstoffs erlebt. Heute arbeitet man im Gebäudebau mit Massivholz in Form von Brettschichtholz und Brettsperrholz, Holz findet aber auch als Bauholz und Furnierholz Einsatz. Es ist nicht nur ein leicht zu bearbeitender Werkstoff, er ist auch nachwachsend und regional verfügbar, seine Nutzung ist Teil der Lösung bei der Bewältigung des Klimaproblems. Man darf nicht vergessen: Ein Kubikmeter Holz bindet eine Tonne CO2 – als Baum wie als Holzmöbel, Holzfenster, als Holzgebäude oder auch Holzspielzeug.
Holznutzung schafft also einen zweiten Wald aus Holzprodukten, da der Kohlenstoff im verarbeiteten Material gespeichert bleibt. Gleichzeitig wächst durch die Aufforstung ein neuer Wald nach, in dem wiederum Kohlenstoff gespeichert und Sauerstoff an die Umgebung abgegeben wird. Dazu kommt der wichtige Substitutionseffekt: Holz ersetzt andere CO2-intensive, nicht-nachwachsende Materialien und vermeidet dadurch deren CO2-Emissionen bei der Herstellung. Hier liegt der größte Hebel für den Klimaschutz: Die in Österreich aus österreichischem Holz hergestellten Produkte ersparen pro Jahr rund acht Millionen Tonnen CO2, das entspricht etwa einem Zehntel der gesamten Treibhausgasemissionen Österreichs in einem Jahr. Holz ist als Werkstoff und Baumaterial also offensichtlich unschlagbar in seiner CO2-Bilanz. Und das gilt es auch zu nutzen, für unsere Zukunft.
Kann Holz theoretisch alle anderen Baustoffe ersetzen?
Nicht bei allem, aber bei vielem. Der Bau eines Kellers aus Holz ist beispielsweise nicht sinnvoll. Jedes Baumaterial hat seine Vor- und Nachteile und soll dort eingesetzt werden, wo es am besten für die Anforderungen geeignet ist. Holz hat viele überzeugende Eigenschaften, eine davon ist, dass es sehr wenig Eigengewicht bei gleichzeitig hoher Festigkeit aufweist. Das ist zum Beispiel eine hervorragende Eigenschaft für Aufstockungen, wie bei städtischen Nachverdichtungen, als unbedingte Alternative bevor neu gebaut und dabei der Boden weiter versiegelt wird. 1 bis 2 Stockwerke sind ohne statisches Problem mit Holz fast immer möglich.
Wird genug Holz verbaut?
Was den Einsatz von Holz beim Bauen angeht, appelliere ich an die Politik und die öffentliche Hand. Wir wissen, dass etwa ein Drittel der CO2-Produktoin weltweit auf die Zement- und Stahlproduktion entfällt. Hier müssen wir ansetzen. Wenn wir etwas für das Klima tun wollen, muss dafür gesorgt werden, dass mehr Holz genutzt wird, vorbildhaft natürlich in öffentlichen Gebäuden wie Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, etc. Holz haben wir genug. Allein in Österreich wächst alle 30 Sekunden so viel Holz nach, dass man damit ein Einfamilienhaus bauen könnte. Der Waldbestand ist bei uns in den letzten 25 Jahren um 23 Prozent gestiegen, im restlichen Europa um sogar noch mehr. Auch im manchmal kritisierten Skandinavien nimmt der Wald zu, nicht ab. Schweden zum Beispiel erntet im Jahr nur 90 Prozent des Zuwachses.
"Holz ist als Werkstoff und Baumaterial also offensichtlich unschlagbar in seiner CO2-Bilanz. Und das gilt es auch zu nutzen, für unsere Zukunft."Richard Stralz, Chef der Mayr-Melnhof Holz Holding AG
Sind in Zukunft neue Einsatzbereiche für Holz denkbar?
Jedenfalls, denn Holz ist mittlerweile nicht nur beim Brandverhalten, sondern vor allem bei den mechanischen Eigenschaften berechenbar geworden. Das Projekt Wood.C.A.R. des Holzclusters Steiermark hat hier wesentlich dazu beigetragen. Wir sind heute in der Lage beispielsweise das Verhalten von Holzbauteilen im Automobilbereich mit Simulationsrechnungen so genau zu berechnen, dass aufwendige und teure Crash-Tests minimiert werden können. Diese Berechenbarkeit wird zukünftig noch sehr viele Anwendungen für Holz und Holzwerkstoffe ermöglichen.
Hat Holz auch als Brennstoff Zukunft? Immerhin ist es bei dieser Nutzung klimaneutral.
Holz ist erwiesenermaßen CO2-neutral, es hat für die thermische Verwertung eine lange und auch berechtigte Tradition. Unsere Pflicht ist es aber – im Sinne der Nachhaltigkeit, des effizienten, ökologischen Umgangs mit unseren natürlichen Ressourcen und unabhängig davon, um welchen Rohstoff es sich handelt –, unsere Rohstoffe kaskadisch über die längst mögliche Lebensdauer zu nutzen. Das heißt, wir müssen immer mit dem höchst möglichen Produkt beginnen und das wertvolle Material danach über Recyclingprozesse weiter nutzen bis dann am Ende die thermische Verwertung steht, dies dann üblicherweise nach jahrzehntelanger Nutzung des Werkstoffes in verschiedenen Produkten.
Der heimischen Holzindustrie wird oft vorgeworfen, zu viel Holz aus dem Ausland, besonders aus Osteuropa zu beziehen …
Ja, die österreichische Holzindustrie bezieht Rundholz aus dem benachbarten Ausland, aber erstens ist der heimische Wald die Rohstoffquelle Nummer 1 mit circa 65 Prozent Anteil am verarbeiteten Rundholz und zweitens muss man wissen, dass rund 80% der österreichischen Sägewerkskapazität grenznahe sind und damit der Einkauf über die Staatsgrenze ganz normal ist, da ein Sägewerk einen Einkaufsradius von üblicherweise 100 bis 150 km hat. Dies gilt umgekehrt natürlich auch für ausländische grenznahe Sägewerke. Aus Russland werden aktuell aufgrund der EU-Sanktionen kein Holz und keine Holzprodukte in die EU importiert. Vor der Ukrainekrise wurden rund zehn Prozent des europäischen Bedarfes über alle Holzprodukte gesamt aus Russland und Belarus importiert.
Die EU nimmt in letzter Zeit Holz ins Visier. Ergibt das Sinn?
Die EU-Wald- und Biodiversitätsstrategie ist nicht ausreichend durchdacht. Man will einerseits die Verwendung von Holz fördern und schränkt gleichzeitig die Holzernte drastisch ein. Dabei wissen die Verantwortlichen ganz genau, wie wichtig es ist, die Wälder zu bewirtschaften.
Warum?
Weil nur ein bewirtschafteter Wald ein klimafitter Wald ist und den so notwendigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann. Spätestens nach rund 50 Jahren, in denen ein Wald sich selbst überlassen wurde, wird aus dem CO2-Speicher ein durch die Verrottungsprozesse verursachter Netto-CO2-Emittent. Die rechtzeitige Holzernte und Nutzung in langlebigen Holzprodukten sowie das Wiederaufforsten der abgeernteten Waldflächen sichern dagegen den Wald langfristig als Kohlenstoffspeicher und Sauerstoffproduzenten ab. Junge Wälder zwischen 40 bis 60 Jahren nehmen dabei am meisten CO2 auf. Nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzverwendung miteinander holen also das Beste für den Klimaschutz aus dem Wald heraus, weil die stärkste CO2-Aufnahme durch den Wald und die verlängerte Kohlenstoffspeicherung im Holzprodukt kombiniert werden. Dabei wird der Wald als artenreiches Ökosystem erhalten – Stichwort Biodiversität – und bei seinen notwendigen Anstrengungen, mit dem Klimawandel umzugehen und sich anzupassen, unterstützt.
Der Klimawandel verändert also auch die Holzwirtschaft.
Die Klimamodelle sprechen eine deutliche Sprache: die Erderwärmung zusammen mit einer Umverteilung der Niederschläge überfordern derzeit schon in vielen Gebieten den Wald. Es ist die große Herausforderung für die Forstwirtschaft mit geeigneten Ernte- und Nachpflanzungsstrategien den Wald zukunfts- und damit klimafit zu machen. Die Zusammenarbeit mit Universitäten und forstlichen Forschungseinrichtungen hilft, die richtige Baumartenverteilung aufgrund der Bodenbeschaffenheit, der Niederschlagsmenge und -verteilung sowie der Klimaprognosen zu finden und damit auch in Zukunft Forstwirtschaft möglich zu machen. In Österreich leben rund 300.000 Menschen, in der Steiermark sind es 55.000, direkt oder indirekt von der Forst- und Holzwirtschaft.