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2. Juli 2020

„Heimische Unternehmen brauchen mehr Eigenkapital!“

Werner H. Hoffmann, Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Strategisches Management der Wirtschaftsuniversität Wien, Strategieexperte und Vordenker, sprach mit der SFG über notwendiges Eigenkapital, Reformbedarf und sinnvolle Finanzierungsinstrumente in Zeiten der Krise.
Portrait Werner H. Hoffmann
Werner H. Hoffmann

1. Die Eigenkapitalquote von KMU ist grundsätzlich branchenabhängig. Welche Richtwerte empfehlen Sie erfahrungsgemäß?

  • Da Eigenkapital als Risikopuffer fungiert und Wachstum finanziert, gilt: Je risikoreicher, volatiler ein Geschäftsmodell und je größer der Wachstumsbedarf, desto mehr Eigenkapital ist nötig. Ich bin da durchaus konservativ. Als Richtwert wären 25 bis 40 Prozent Eigenkapitalquote sinnvoll. Ein Unternehmen ist gut beraten, wenn es die 10-Prozent-Marke sehr deutlich übertrifft. Österreichische KMU verfügen im Schnitt über weniger Eigenkapital als Unternehmen in anderen OECD-Ländern. Das ist insbesondere in Krisenzeiten ein bedrohlicher Wettbewerbsnachteil. Traditionell niedrig sind die Quoten in Branchen wie der Hotellerie, Touristik, Freizeitwirtschaft, aber auch z. T. im Einzelhandel. Grundsätzlich besser ist es im produzierenden Gewerbe, aber auch hier herrscht Nachholbedarf

2. Welche Vorteile haben Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel wie stille Beteiligungen?

  • In Österreich sind viele Unternehmen dominant bankenfinanziert, das wird in der Krise zum Problem: Die Bonität der Betriebe sinkt gerade in einer Zeit, wo diese eigentlich mehr Geld bräuchten. Die Banken können dann keine (hohen) Kredite gewähren, weil sie mit den Regulatorien Basel 3 und demnächst Basel 4 in ein enges Korsett gezwängt sind. Selbst wenn sie wollen, können sie also nicht finanzieren, wenn das Gesetz eine gewisse Bonität verlangt. Das ist ein Teufelskreis, den wir jetzt gerade wieder erleben. Abhilfe schafft nur mehr unternehmerisches Eigenkapital. Einerseits könnte der Staat steuerliche Anreize schaffen und thesaurierte, d. h. nicht ausgeschüttete Gewinne steuerlich entlasten. Andererseits müssen die Betriebe den Kapitalmarkt stärker nutzen und sich um Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen bemühen. Venture Capital, Mezzaninkapital und Stille Beteiligungen sind dafür geeignete Instrumente, um eine solide Finanzierungsbasis zu erlangen: Die Bonität steigt und damit die Risikotragfähigkeit.

3. Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, die Besteuerung von thesaurierten Gewinnen abzuschaffen und im Gegenzug die Gewinnausschüttungen stärker zu besteuern?

  • Abschaffen geht aus meiner Sicht zu weit. Ich wäre hier schon mit dem Halbsteuersatz schon zufrieden – also 12,5 Prozent statt wie derzeit 25. Ausschüttungen sollten im Gegenzug nicht stärker besteuert werden, hier gibt es ohnehin schon die Kapitalertragssteuer

4. Beschleunigt der § 2 Eigenkapitalersatzgesetz (d. h. die Kriterien, ab wann ein Unternehmen als „in der Krise“ gilt) das Insolvenzrisiko? Wären Ausnahmetatbestände in Krisenzeiten oder generell zu Sanierungszwecken eine Lösung, mehr eigenkapitalähnliche Mittel, z. B. in Form von stillen Beteiligungen ins Unternehmen zu bringen?

  • Ja. Prinzipiell geht es darum, möglichst früh die Insolvenzgefahr zu erkennen und ein Sanierungsverfahren einzuleiten. Dafür braucht es immer zusätzliches Kapital. Hier Erleichterungen für die Unternehmen zu schaffen halte ich für sinnvoll. (Atypische) stille Beteiligungen sind für die meisten Unternehmer auch deshalb positiv, weil sie das Heft in der Hand behalten können. Ihre Investoren sollen nur eingeschränkt mitreden und die Beteiligung auch nach außen vielleicht nicht so deutlich sichtbar werden.

5. Welchen Planungshorizont empfehlen Sie, d. h., wie lange im Voraus sollen sich KMU auf die Suche nach Kapitalgebern begeben?

  • Ein finanzieller Planungshorizont für die nächsten 3 Jahre ist unabdingbar. Für diese Zeit ist jedenfalls die Vorgehensweise in Zahlen zu gießen und einen konkreten Finanzmittelbedarf abzuleiten. Darüber hinaus sollte es durchaus längerfristige unternehmerische Visionen bis zu 7 Jahren geben. Die Eigenkapital- oder eigenkapitalähnlichen Finanzierungen sind teurer als eine Bankenfinanzierung, und das ist das Verführerische in Österreich. Die Bankzinsen sind mit ein bis zwei Prozentpunkten sehr niedrig, Eigenkapitalgeber erwarten deutlich höhere Renditen.  Zudem behandelt das Gesetz Fremdkapitalzinsen und Eigenkapitalkosten nicht gleich: Erstere können wie auch eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht werden, Eigenkapitalkosten sind hingegen nicht abzugsfähig. Leider fahre ich als Unternehmer langfristig nicht besser mit der Bank, sondern gerate in eine fatale Abhängigkeit, die in Krisenzeiten oft zum Verhängnis wird.

6. Ihr letztes Wort?

  • Österreichische Unternehmen brauchen mehr Risikokapital! Die Frühphasenfinanzierung von Jungunternehmern funktioniert bei uns gut. Aber wenn Unternehmen wirklich Risikokapital brauchen, etwa um neue Geschäftsideen zu entwickeln oder zu internationalisieren, dann fehlen die Instrumente. Da braucht es Venture Capital, Mezzaninfinanzierungen und einen Kapitalmarkt, der funktioniert. Ich plädiere für eine Reform der Unternehmensfinanzierung in Österreich mit deutlich mehr Fokus auf Eigenkapitalbildung und deutlicher Reduktion der Abhängigkeit von Banken.