„Es liegt an uns, sich für ein gutes Leben für alle zu entscheiden.“
Wie können wir Wirtschaft, Finanzen und Ökonomie in einen Einklang bringen, was sind die wichtigsten nächsten Schritte?
Wir stehen heute vor beispiellosen Krisen in der Welt und um diese zu bewältigen, müssen alle an einem Strang ziehen. Wir schaffen das nicht allein. Wir brauchen alle, die sich um künftige Generationen bemühen, sich zu vernetzen und eine neue grüne Wirtschaft zu entwickeln, die weniger schädlich für die Umwelt ist, von der wir abhängig sind. Jedes Land, jedes Ort, jede Firma, jede Organisation, jede Einrichtung, jeder einzelne von uns muss hier aktiv sein. Egal in welchem Lebensbereich oder in welcher Lebensphase. Jeder von uns spielt eine entscheidende Rolle für unser Leben. Jeder kleine Schritt zählt und zusammen können wir viel bewegen. Es muss uns bewusst sein, dass man keinen Tag durchleben kann, ohne dass es Auswirkungen auf die Welt hat. Und wir alle haben die Wahl, welche Art von Auswirkung das sein soll.
Was können und sollen wir aus der weltweiten Pandemie lernen?
Ich denke es gibt noch ein schmales Zeitfenster, das sich aber zusehens schließt. In den letzten Jahrzehnten haben wir es global verabsäumt, die so wichtigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen und die Corona Pandemie hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Tragödie ist, dass diese Pandemie vorhergesagt und zu einem gewissen Grad von uns verursacht wurde. Wir haben natürliche Lebensräume zerstört, Arten zurückgedrängt und sie ihres Lebensraums beraubt. Dabei haben wir Biotope geschaffen, die es einem Krankheitserreger viel leichter machen, von einem Tier zu uns über zu springen, wo sie dann neue zoonotische Krankheiten, wie COVID-19, verursachen können. COVID-19 hat enormes Leid und so viel wirtschaftliches Chaos verursacht hat.
"Es ist jetzt Zeit zu handeln. Ansonsten ist die Zukunft für meine und ihre Enkelkinder mehr als düster. Wir dürfen das nicht zulassen. Das Zeitfenster schließt sich und wir brauchen alle, die mithelfen und Lösungen finden wollen - jetzt."
Ich sehe im Klimawandel jedoch eine noch größere Herausforderung. Zu einem großen Teil ist es aber die gleiche Missachtung und Arroganz gegenüber unserer Umwelt, die zur Klimakrise geführt hat. Wir haben die Natur zerstört, Wälder und Bäume zerstört, die Kohlendioxid aufnehmen können, und die Ozeane verschmutzt, die auch Kohlendioxid aufnehmen können. Und sowohl Wälder als auch Ozeane liefern uns den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. Dieser Planet verfügt über begrenzte natürliche Ressourcen und wir haben sie schneller geplündert, als Mutter Natur sie wiederherstellen kann.
Meiner Meinung nach gibt es drei Hauptgründe, drei Verursacher der Klimakrise, welchen wir uns widmen und welche wir ändern müssen:
- Armut: Solange Menschen in bitterer Armut leben, werden sie die Umwelt zerstören, um Nahrung für sich und ihre Familien zu produzieren, sie werden den letzten Fisch fangen und den letzten Baum fällen oder das billigste Junk-Food kaufen. Sie können es sich nicht leisten drüber zu sinnieren, ob ihr Verhalten der Umwelt geschadet hat.
- Übermäßiger Konsum: Wir müssen das Problem der nicht nachhaltigen Lebensweise des Restes von uns lösen und lernen, dass mehr als genug nicht glücklicher macht.
- Überbevölkerung: Wir müssen bedenken, dass es noch nie so viele Menschen auf dem Planeten gegeben hat. Wir verbrauchen bereits jetzt Ressourcen schneller, als die Natur sie wiederherstellen kann. Prognosen zufolge werden es 2050 knapp 10 Milliarden Menschen sein, die die Erde bevölkern. Wir können das nicht einfach ignorieren. Wir müssen jetzt darüber nachdenken.
Was können Wirtschaft, Wissenschaft und Politik beitragen?
Wir alle müssen lernen achtsamer mit unserem Planeten umzugehen. Allmählich vergiften wir das Land mit Chemikalien und zerstören so viele Lebensräume. Wissenschaft und Wirtschaft sind gefragt, um neue nachhaltige Technologien zu entwickeln. Aber selbstverständlich muss die Politik auch die Rahmenbedingungen dafür optimieren. Zu guter Letzt wird es aber auch an jeder und jedem einzelnen von uns liegen. Wir müssen uns irgendwie auf einige dieser wissenschaftlichen Innovationen einlassen, wie Sonnen- und Windenergie. Wir treffen täglich hunderte Entscheidungen. Es liegt an uns, sich für ein gutes Leben für alle zu entscheiden anstatt nur auf den eigenen, kurzfristigen Nutzen zu achten.
"Wir stehen heute vor beispiellosen Krisen in der Welt und um diese zu bewältigen, müssen alle an einem Strang ziehen. Wir schaffen das nicht allein. Wir brauchen alle, die sich um künftige Generationen bemühen, sich zu vernetzen und eine neue grüne Wirtschaft zu entwickeln, die weniger schädlich für die Umwelt ist, von der wir abhängig sind."
Wir befinden uns inmitten des sechsten großen Aussterbens, wir sind abhängig von gesunden Ökosystemen, und das gesunde Ökosystem hängt von der Artenvielfalt ab. Es ist jetzt Zeit zu handeln. Ansonsten ist die Zukunft für meine und ihre Enkelkinder mehr als düster, es ist sehr dunkel. Wir dürfen das nicht zulassen. Das Zeitfenster schließt sich und wir brauchen alle, die mithelfen wollen und Lösungen finden wollen – jetzt.
Abschließend noch drei kurze Fragen an Jane…
1. Was verbindet Sie mit Österreich/Graz?
Mit Graz verbinde ich einen emotionalen Abend* mit Hunderten von großartigen Menschen, die meinen Vortrag besuchten. Mit Österreich verbinde ich mein wunderbares Jane Goodall Institut-Team und Familie, Freunde und tausende engagierte Menschen.
*Anmerkung: Am 19. Mai 2016 lud Wissenschaftslandesrat Mag. Christopher Drexler im Rahmen des Dialogforums „Geist & Gegenwart“ in die Aula der Alten Universität Graz ein. Jane Goodall hielt ihren Vortrag „Grund zur Hoffnung“.
2. Was ist Ihr täglicher Beitrag zum Schutz der Umwelt?
Täglich schütze ich das Klima, indem ich mich entscheide, welchen Einfluss ich durch mein Verhalten jeden Tag ausübe. Was kaufe ich? Hat die Herstellung der Umwelt geschadet, war es tierquälerisch, ist es billig wegen unfairer Löhne?
3. Gibt es abschließend noch eine Art Takeaway-Weisheit für uns?
Meine Takeaway-Lebensweisheiten für jeden: Wissen und Verständnis, harte Arbeit und Ausdauer, Liebe und Mitgefühl. Ihr könnt die Welt heilen.