CharismaTec: „Wir haben die aktuellsten Technologien neu kombiniert.“
Selbstfahrende Fahrzeuge sind in der Distributionslogistik fast schon state of the art. In dieser ist die Aufgabenstellung an Transportsysteme vergleichsweise gering: Der Wagen fährt – etwas vereinfacht gesprochen – auf glattem Hallenboden zu Regalen, wählt Paketgut aus und transportiert es zur Laderampe. Völlig anders ist die Lage in der Produktionslogistik, etwa bei Autoherstellern: „Um sinnvoll in der Produktion einsetzbar zu sein, muss ein fahrerloses Transportsystem enorm viele Fähigkeiten mitbringen, robust und hochflexibel sein“, erklärt Sandra Slavinec, Geschäftsführerin von charismaTec.
RAMVoS unterscheidet sich deshalb von allem bisher Dagewesenen am Markt. In erster Linie ist er modular aufgebaut. „Wir verfolgen einen völlig neuen Ansatz. Bisher haben viele Hersteller das Fahrzeug in den Vordergrund gestellt und für eine spezifische Aufgabe zugeschnitten, damit sich das Produkt vom Mitbewerb abhebt.“ Wenn sich einzelne Schritte, Teile oder ganze Systeme in der Produktion änderten – was Alltag z.B. in der Automotive-Industrie ist – brauchte es ein neues Transportsystem. Ein immenser Nachteil und Kostenfaktor. Slavinec: „Wir haben nun die aktuellsten Technologien in puncto Antrieb, Batterien und Ladung, Navigation oder Sicherheit kombiniert. So haben wir ein variables System geschaffen, das wir schnell und einfach mittels modularer Aufbauten auf die Kundenanforderung zuschneiden können.“
Hier fängt die Innovation aber erst an. RAMVoS kann noch viel mehr, was seine Mitbewerber (derzeit) nicht können: Mit großen Rädern und speziellem Fahrwerk fährt er auf unterschiedlichsten Böden, vorwärts und rückwärts gleich schnell. Er überwindet Steigungen, Unebenheiten und Bodenrillen, ist mit kleinem Wendekreis maximal manövrierfähig. Lasten bis zu 600 kg sind für ihn kein Problem, so trägt, zieht oder schiebt er z.B. ganze Fahrzeuge durch Hallen. RAMVoS lädt seine Batterie kontaktfrei über eine Ladeplatte im Arbeitsprozess. Das spart Zeit und erhöht die Sicherheit. Kombiniert mit einem Roboter-Aufbau – hier kooperieren charismaTec und Maschinenbau Brunner mit dem oberösterreichischen Hersteller TAT – wird er zum selbstständigen Produktionsmitarbeiter, der einzelne Aufgaben und Transporte autonom erledigt. RAMVoS erhält seine robuste Mechanik und Elektrik von Maschinenbau Brunner im burgenländischen Wolfau, während charismaTec dem Fahrzeug Leben einhaucht. Bemerkenswert: Die Bundesländer Steiermark und Burgenland förderten das Projekt beide in ihren Innovationsprogrammen.
charismaTecs erste Innovation revolutionierte vor einigen Jahren den Security-Markt: Doculus Lumus ist die erste mobile Dokumentenprüflupe, die heute weltweit den Grenzschutz verbessert. Auf der Autobahn, im Zug oder am Flughafen bleibt den Beamten oft nur ein Moment, um falsche Dokumente von echten zu unterscheiden. Mit 15- oder 22-facher Vergrößerung erkennt man mit Doculus Lumus Fälschungen in Sekunden.
2020 erschließt RAMVoS nun den zweiten Geschäftszweig Smart Logistics & Production. Und zeitgleich gelingt die Verbindung der beiden Bereiche: Demnächst startet charismaTec ein Projekt zur Entwicklung eines fahrerlosen Offroad-Fahrzeugs für militärische und humanitäre Materialtransporte gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und weiteren europäischen Partnern. Die European Defence Agency (EDA) unterstützt das Vorhaben im Rahmen des Förderungsprogramms PADR (Preparatory Action on Defence Research).
Zu guter Letzt: Falls Sie sich seit Beginn des Textes fragen, was RAMVoS eigentlich bedeutet, hier die Auflösung: Ram ist in der englischen Sprache der Widder, ein sehr robustes und leistungsfähiges Tier. VoS steht für „Vehicle or Swarm“ (dt. Schwarm), weil das System entweder als Einzelfahrzeug oder im Verbund mit anderen einsetzbar ist. Aber das haben Sie sicher schon geahnt …
Sigrid Gaisch-Faustmann