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31. März 2022

Zukunftsthemen der Menschheit: „Katalysator für Lösungen“

Das EU-Instrument IPCEI stärkt strategische Schlüsseltechnologien.

Die Europäische Union hat zur Stärkung strategischer europäischer Wertschöpfungsketten ein spezielles Regulativ entwickelt, das die Förderung transnationaler Kooperationen und die Abbildung der Wertschöpfungskette von der angewandten Forschung, Entwicklung und Innovation bis zur erstmaligen industriellen Umsetzung sowie zu entscheidenden Infrastrukturvorhaben im Umwelt-, Energie und Verkehrsbereich ermöglicht.

Im Bereich Mikroelektronik holten AT&S, NXP und Infineon gemeinsam 150 Millionen Euro EU-genehmigte Bundesförderung in die Region. Die Verantwortlichen sprechen im Interview über Inhalt und Bedeutung des wegweisenden Projektes.

Michael Jerne, NXP

Frage:  Warum ist die Teilnahme am Projekt gerade zur jetzigen Zeit eine wichtige Bestätigung für NXP und die heimische Industrie im Allgemeinen?
Michael Jerne:  

Die Mikroelektronik bzw. elektronische Systeme (EBS) sind eine Schlüsseltechnologie für viele wichtige Anwendungen und unterstützen damit die Ambitionen der Europäischen Kommission im Bereich Digitalisierung und Green Deal. In der Umsetzung spielen IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) aufgrund ihrer Größe und ihres Impacts auf europäischer Ebene eine herausragende Rolle. Für Österreich als ein Land mit einem starken EBS Öko-System (und die drei involvierten Unternehmen) ist daher eine Teilnahme an dieser Initiative im Sinne der Vernetzung und Wettbewerbsfähigkeit als Standort ein „Muss“ gewesen.

Frage:  Was können die Österreichischen Unternehmen bieten, was die Unternehmen aus den anderen EU-Ländern nicht haben?
Michael Jerne:  

Österreich mit den drei teilnehmenden Unternehmen NXP, Infineon und AT&S bringt sich wesentlich in zwei Technologiefelder ein: energieeffiziente Chips und Leistungselektronik. In diesen Bereichen ergänzen die österreichischen Beiträge das vorhandene Kompetenz- und Technologiespektrum deutlich, unterstützen und erweitern die geplanten Disseminierungsmaßnahmen und erhöhen damit die Wirksamkeit des IPCEI Projektes auf europäischer Ebene.

Frage:  Was sind nun die nächsten Schritte, was ist geplant gemeinsam umzusetzen (was darf die Öffentlichkeit wissen)?
Michael Jerne:  

Das Vorhaben ist auch aus beihilferechtlicher Sicht sehr transparent aufgesetzt, und die Europäische Kommission veröffentlicht das Vorhaben im Überblick auch für alle Interessierten. Die nächsten Schritte national sind die fördertechnische Abwicklung mit den nationalen Agenturen FFG und aws, sowie der Start der Kooperationen auf europäischer Ebene mit den vorhandenen Partnern. Die österreichischen Akteure werden sich dabei vor allem im Bereich Dissemination gut abstimmen und Synergien bei Events, Konferenzen und Interaktionen mit Netzwerken und Plattformen auch außerhalb des IPCEI-Konsortiums nutzen. Die Projekte sind ja bereits voll am Laufen, d.h. eine erfolgreiche Abwicklung der Vorhaben aus technisch inhaltlicher Sicht hat hohe Priorität.

Frage:  Welche Rolle nimmt NXP dabei im Projekt ein?
Michael Jerne:  

NXP Semiconductors Austria fokussiert sich gemäß der NXP Mission „Secure Connections for a Smarter World” auf hardware-basierte Lösungen für sichere und zuverlässige Implementierungen von energieeffizienten Chip-Plattformen im Bereich Smart Access. Das Projekt unterstützt den weiteren Ausbau des F&E-Kompetenzzentrums in Gratkorn bei Graz, und ermöglicht eine stärkere Betonung des Themas Sicherheit im europäischen IPCEI-Konsortium.

IPCEI – Important Projects of Common European Interest

Hannes Voraberger, AT&S

Frage:  Warum ist die Teilnahme am Projekt gerade zur jetzigen Zeit eine wichtige Bestätigung für AT&S und die heimische Industrie im Allgemeinen?
Hannes Voraberger:  

Die Entwicklungen der Mikroelektronik haben es ermöglicht, dass wir in den vergangenen Monaten trotz großer persönlicher Einschränkungen in unserer globalisierten Welt weiterarbeiten und verbunden bleiben konnten. Mikroelektronik wird auch in den nächsten Jahren grundlegende Lösungen für 2 großen Themen unserer Zeit, Digitalisierung und Reduktion des CO2 Verbrauchs, liefern. Durch die Teilnahme an diesem Projekt wird sichtbar, dass österreichische Unternehmen einen wesentlichen Beitrag hier leisten. Speziell für AT&S bietet es die Möglichkeit zu zeigen, welchen wesentlichen Beitrag wir zur Lösung der großen Herausforderungen der Menschheit beitragen können.

Frage:  Was können die Österreichischen Unternehmen bieten, was die Unternehmen aus den anderen EU-Ländern nicht haben?
Hannes Voraberger:  

In Österreich, speziell im Süden, hat sich über die vergangenen Jahre ein Schwerpunkt in der Mikroelektronik etabliert, der gelernt hat, erfolgreich an der Optimierung von elektronisch basierten Systemen zusammenzuarbeiten. Dies führt zu leistungsfähigeren Systemen bei reduziertem Energieverbrauch. Dieser lokale Fokus, gepaart mit Forschungseinrichtungen, Universitäten und Lieferketten ermöglicht ein sehr effizientes Entwickeln und Arbeiten. Ich kann nicht sagen, dass dies andere Länder nicht haben, aber hier wirkt es wie ein Katalysator für neue Lösungen.

Frage:  Was sind nun die nächsten Schritte, was ist geplant gemeinsam umzusetzen (was darf die Öffentlichkeit wissen)?
Hannes Voraberger:  

Der Kernfokus unseres Beitrages im Bereich IPCEI Mikroelektronik liegt auf effizienter elektronischen System und deren stabile und effiziente Versorgung von mit Strom. Hier reicht die Spannweite von Computerprozessoren bis hin zu Anwendungen im neuen Kommunikationsstandard 5G. Diese Lösungen werden in diesem Projekt entwickelt und, und das stellt den Unterschied zu vielen anderen Förderprogrammen dar, industrialisiert. Es wird das sogenannte „Valley of Death“ – die Zeitspanne von der abgeschlossenen Entwicklung einer neuen Technologie und deren erfolgreichen Einführung am Markt- überbrückt. Ich erachte dies als eine wesentliche industriepolitische Maßnahme der EU, die es ermöglicht zu verhindern, hinter andere Regionen der Welt zurückzufallen.

Frage:  Welche Rolle nimmt AT&S dabei im Projekt ein und was darf man sich in Zukunft davon erwarten?
Hannes Voraberger:  

AT&S hat hier die klare Rolle des Anbieters von Verbindungslösungen für elektronische Systeme – wir verstehen Leiterplatten, Substrate und Packages als die mechanische, elektrische, thermische und Zusehens funktionale Verbindung zwischen den einzelnen, elektronischen Komponenten eines Systems. In dieser Rolle ist AT&S eine der wenigen verbliebenen Firmen in Europa die hier noch entwickeln und produzieren – in dem Bereich Substrate und Packages wohl die einzige. Somit spielen wir eine Schlüsselrolle bei allen elektronischen Systemen, die mit einer rein europäischen Wertschöpfungskette hergestellt werden sollten. Die letzten Monate haben gezeigt wie wichtig es ist souveräne Wertschöpfungsketten vor Ort (dies ist in unserem Fall Europa) zu haben. Diese im Bereich Digitalisierung und für Lösungen zur Verringerung des CO2 Verbrauchs sinnvoll einzusetzen und weiter auf- und auszubauen, sehen wir als unsere Aufgabe in den nächsten Jahren.

Josef Moser, Infineon

Frage:  arum ist die Teilnahme am Projekt gerade zur jetzigen Zeit eine wichtige Bestätigung für Infineon und die heimische Industrie im Allgemeinen?
Josef Moser:  

Infineon Austria begrüßt die erfolgreiche Umsetzung des Important Project of Common European Interest (IPCEI) Mikroelektronik I durch die österreichische Bundesregierung. Aufgrund der rasant fortschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen steigt die Bedeutung der Mikroelektronik umfassend. Daher ist es für die Technologiesouveränität Europas von größter Bedeutung, Knowhow-intensiven Aktivitäten von europäischen Unternehmen in Forschung, Entwicklung sowie in der ersten industriellen Anwendung dieser Schlüsseltechnologie zu stärken.

Frage:  Was können die Österreichischen Unternehmen bieten, was die Unternehmen aus den anderen EU-Ländern nicht haben?
Josef Moser:  

Im Mittelpunkt des im Dezember 2018 gestarteten IPCEI-Programms steht die gesamthafte Stärkung Europas in der Schlüsseltechnologie Mikroelektronik. Europa ist traditionell stark in der Entwicklung neuer Technologien, diese werden aber häufig außerhalb Europas produziert und auf den Markt gebracht. Mit IPCEI wird jetzt auch das „First Industrial Deployment“ in Europa unterstützt. Auf diese Weise erhalten wesentliche Industrien etwa der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder der Automobilindustrie rascher innovative Schlüsselbausteine. Mit IPCEI Mikroelektronik I wurde der erste Schritt getan, um Fertigungskapazitäten in der europäischen Halbleiterproduktion zu erweitern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und neue Märkte zu adressieren.

Durch das geplante nächste Programm „IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien“, für das aktuell die Interessensbekundung läuft, können europäische Unternehmen ihre Stärken weiter ausbauen, aber auch neue Kompetenzen erarbeiten.

Frage:  Welche Rolle nimmt Infineon dabei im Projekt ein und was darf man sich in Zukunft dadurch erwarten?
Josef Moser:  

Infineon Austria bringt sich mit der Forschung und Entwicklung von innovativen Fertigungstechnologien der Leistungselektronik und deren erster industrieller Anwendung in Österreich ein. Die Zielanwendungen dieser auch aus neuen Halbleitermaterialien gefertigten Energiesparchips adressieren Innovationen in Industrie und Mobilität und sind als „Tech for Green“ in Rechenzentren, in der erneuerbaren Stromerzeugung und Elektroautos ein aktiver Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.

Frage:  Was sind nun die nächsten Schritte, was ist geplant gemeinsam umzusetzen (was darf die Öffentlichkeit wissen)?
Josef Moser:  

Bei Infineon Austria stellen wir aktuell ein Projektteam für die IPCEI-Schwerpunkte in den betreffenden Arbeitsbereichen zusammen. Dabei werden über die produktspezifischen Aktivitäten hinaus auch Kooperationen, Veranstaltungen und Bildungsinitiativen mit Schulen und Universitäten im EU-Ausland geplant. Mit besonderem Fokus auf EU-Bildungs- und Forschungseinrichtungen werden technische Trainings, Networking sowie der Knowhow-Transfer über die gesamte Wertschöpfungskette organisiert. Einen besonderen Fokus werden wir dabei auf die sogenannten EU-13-Ländern setzen.